22.3    Meinung  -  Standpunkt  -  Info  -  Gedanken...


Thema 3: Blockbuster-Weine (Text: 2001 und 2020)

Manchmal hat man den Eindruck, ein Wein muss nur dunkel, dicht, alkoholreich und konzentriert genug sein und schon wird er als vermeintlicher Spitzenwein überall in den Himmel gelobt.

Schon seit vielen Jahren kommen Weine auf den Markt, die diesem vorgenannten Typus entsprechen.

Nicht nur aus Übersee, auch aus europäischen Gefilden, erreichen uns immer wieder Weine, die offensichtlich nach folgendem Motto vinifiziert wurden:

"Je mehr Extrakt, Konzentration, Wucht, Fülle und Alkohol, desto höher die Qualität!" Dies können wir in dieser Form jedoch nicht so stehen lassen und müssen hier einmal eine Lanze brechen für die sich etwas mehr zurückhaltenderen und ausgewogenerenWeine! Denn Eleganz, Finesse, ausgeglichene Textur und Komplexität bzw. Vielfalt eines Weines sind mindestens gleichwertige, wenn nicht sogar geeignetere Eigenschaften, um einen Wein bezüglich seiner Qualität und harmonischer Güte zu beurteilen.

In sonnenreichen Anbaugebieten können manche Rebsorten enorme Reifegrade erreichen und der Wein somit zwangsläufig auch ein enormes Alkoholpotential. Dies wird gerade heutzutage noch verstärkt durch die in allen Anbaugebieten deutlich wahrnehmbare Klima-Erwärmung. Nicht selten werden in manchen Regionen die Weine zudem gar nicht mehr komplett vergoren, sondern man belässt eine gewisse Restsüße im Wein, was den o.g. Eindruck von Konzentration noch weiter fördert. Mit Hilfe modernster Kellertechnik können Frucht und Dichte dann zusätzlich noch über das erträgliche Maß hinaus getrieben werden. Unserer Meinung nach sollte sich der Mensch hierbei jedoch mit seinen Eingriffen zurückhalten: WENIGER ist hier MEHR!

Auf den ersten Schluck vermögen diese overstylten Weine vielleicht zu beeindrucken, da der Gaumen von der nahezu sirup-haften Opulenz regelrecht überwältigt wird, doch die feineren Sinne können durch die schiere Fülle auch schnell ermüden oder gar nach noch immer intensiveren Konzentrationen verlangen. Die Folge ist, dass die eleganteren und feineren Weine von uns gar nicht mehr so wahrgenommen werden wie sie es eigentlich verdienten.

Ein substanzieller Wein mit Tiefe und wirklicher Größe verdankt seine großartige Struktur in erster Linie dem Boden(!) auf dem er wuchs, alten Rebstöcken und dem besonderen Mikroklima, in dem er gedieh. Die manuelle (menschliche) Selektion bei der Ernte im Weinberg ist ebenfalls ein ganz entscheidender Faktor. Klar, dass eine Vollernter-Maschine diese komplexe Auswahl-Arbeit nicht leisten kann.

Kellertechnik spielt bei diesen hochwertigen Weinen tatsächlich nur eine relativ überschaubare Rolle, sie geht vor allem extrem schonend mit dem kostbaren Lesegut um, erhält und unterstützt die geerntete Substanz und verändert sie praktisch nicht.

Fazit: Hochwertige und zugleich etwas feingliedriger strukturierten Weine haben es nicht so einfach, sich gegenüber den vordergründigen, "direkten" Weinen in Szene zu setzen bzw. unsere Aufmerksamkeit zu bekommen. Doch wer die finessenreichen, vielschichtigen und zarteren Weine einmal für sich und seinen Gaumen entdeckt hat, wird sie als Bereicherung in seinem Weinkeller nie mehr missen wollen.

zurück zur Themen-Übersicht     Startseite